Die Verrücktheit des Kreuzes - Predigt zum 13. Sonntag im Jahreskreis (C) - 07.07.2019



Die Verrücktheit des Kreuzes
Predigt zum 13. Sonntag im Jahreskreis (C)
07.07.2019

Witz zum Einstieg: Opa fragt Oma: Spielen wir Hai-raten (heiraten)? Oma: Ok. Dann haut Opa der Oma mit einem kleinen Hammer auf den Kopf. Die Oma wird bewusstlos. Als sie wieder aufwacht, fragt sie: Hammerhai?

Liebe Freunde, fast an jedem Sonntag legt uns die Kirche in ihrer Weisheit eine zweite Lesung aus einem der Paulusbriefe vor. Paulus war gewissermaßen der erste große Theologe der Christenheit. Seine Briefe sind nicht immer leicht zu verstehen. Aber er hat sehr tiefe Einsichten im Hinblick auf die Beziehung zu Christus geschenkt bekommen. Deswegen wollte ich heute einmal nicht das Evangelium zur Grundlage für die Predigt nehmen, sondern die zweite Lesung.

Sie ist aus dem Galaterbrief. Übrigens ein kurzer Brief. Es lohnt sich, mal den ganzen Brief durchzulesen, das dauert nicht besonders lange. Der Brief ist gepackt voll mit theologischer Bedeutung.

1) Paulus rühmt sich des Kreuzes

Paulus beginnt diesen kurzen Abschnitt der heutigen Lesung so:

Schwestern und Brüder!
Ich will mich allein
des Kreuzes Jesu Christi, unseres Herrn, rühmen,

Viele von uns haben so diese oder eine ähnliche Lesung schon ziemlich oft gehört. Aber ich möchte, dass wir uns einmal bewusst machen: Für jemanden, der im 1. Jahrhundert gelebt hat, wäre es sehr schwer, sich irgendetwas Seltsameres vorzustellen als diese Aussage des Paulus.

Wer schon jahrelang in die Messe geht, denkt wahrscheinlich halb bewusst, halb unbewusst: „Ja, ja, Paulus rühmt sich des Kreuzes.“

Aber denken wir mal zurück in das 1. Jahrhundert: Da gab es noch keine Kreuze auf Kirchtürmen; da gab es noch keine Kreuze am Wegrand (Flurkreuze); da gab es noch keine schönen Goldkreuzchen, die man sich an einer goldenen Schmuckkette umhängt. All das gab es noch nicht. Es gab noch keinen bunten Rosenkranz, an dem am Ende ein schönes Kreuz hing.

In der Zeit des Paulus war das Kreuz etwas Unaussprechliches; das schrecklichste Folterinstrument, das jemals von grausamen Menschen ausgedacht worden ist. An einem Kreuz den Tod zu erleiden war sowohl für die Heiden als auch für die Juden eine ganz schlimme Schande. Eine der schlimmsten und schändlichsten Dinge, die man über eine Person sagen konnte, war: Sein Leben endete an einem Kreuz.

Das Allerletzte, wessen sich jemand im 1. Jh. rühmen würde, wäre ein Kreuz!

Stellt euch mal etwas so Schändliches in unserer Zeit vor: Ein junger Student würde verstoßen werden vom Staat und von der Kirche; es würde zum Tod verurteilt werden, es würde entsetzlich gequält werden, dem Spott der Leute ausgesetzt werden. – Wärest du in der Stimmung, dass du dich dessen rühmen würdest? – Angenommen das würde deinem Sohn passieren oder deinem Bruder - würdest du dich dessen rühmen? Würdest du dich nicht beschämt abwenden, das Thema wechseln und hemmungslos weinen?

Aber Paulus sagt doch tatsächlich: Ich rühme mich des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus. Was ist seine Absicht, warum schreibt er das? Er lädt uns ein in die Welt, in der die Werte auf dem Kopf stehen, es ist die Welt des christlichen Glaubens. Unser christlicher Glaube stellt die Werte der Welt auf den Kopf.

2) Woher hatte Paulus diese verrückte Idee?

Wieso wollte er sich des Kreuzes zu rühmen?

Er selber sagt es uns: Es ist das Kreuz, durch das mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt. Was meint Paulus hier mit dem Wort „Welt“? Er meint nicht die Schöpfung, die Gott so wunderschön geschaffen hat. Er meint etwas ganz anderes: Er meint die sündige Welt; die Strukturen und Gewohnheiten der Sünde. Er meint den Menschen, der sich verirrt hat. Die Gesellschaft, die nicht entsprechend den Werten des Evangeliums lebt, sondern ihrem Egoismus folgt und wo ein Mensch teilweise zum Feind des Menschen wird, wie die Römer gesagt haben: homo homini lupus est. Sünde, Trennung, Hass.

Paulus sieht hier sonnenklar: Mit dem Tod am Kreuz und mit der Auferstehung Jesu von den Toten ist etwas ganz Neues entstanden. Niemals dürfen wir das aus den Augen verlieren.

Ja, die Mächte des Bösen haben Jesus am Kreuz umgebracht, die Sünden aller Menschen aller Zeiten. ABER: Gott hat ihn von den Toten auferweckt. Das ist nicht symbolisch gemeint, das ist keine psychologische Projektion der ersten Jünger. Nein, das ist Realität. Der auferstandene Herr erschien den ersten Jüngern sichtbar, sie haben mit ihm gegessen. Er lebt. Gott hat Jesus von den Toten auferweckt, nun ist alles anders!

Und wenn das die Wahrheit ist, dann ist automatisch klar, dass die Sünde der Welt, die zum Tod Jesu geführt hat, überwunden ist! Die Welt, so glorreich sie einerseits sein kann, so verdorben sie andererseits ist, im Licht der Auferstehung ist die Welt ist überwunden!

Jesus ist stärker als Sünde und Tod und Teufel!

So kann Paulus ausrufen: Durch das Kreuz ist mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt. Und er meint damit: Diese sündige Welt, alle die Mächte des Bösen, sie vergehen, sie haben ein Ablaufdatum. Die sündige Welt wird ein Ende haben. Sie wird ihre Macht verlieren! Sie bedeutet nichts mehr, sie steht vor Gericht.

All das Negative, was durch die Sünde gekommen ist, das hat Jesus auf sich genommen und durch die Macht der Auferstehung ist es vorbei, nicht mehr da.

Sagen wir nicht in jeder Messe: „Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt.“ Du, Jesus, nimmst sie hinweg.

Deshalb sagt der Evangelist Johannes: Unser Glaube hat die Welt besiegt.

3) Was folgt daraus?

Paulus sagt es im nächsten Vers: „Denn es gilt weder die Beschneidung etwas noch das Unbeschnittensein,
sondern: neue Schöpfung.“

Für uns klingt das vielleicht nicht so besonders. Aber für einen Juden zur Zeit des Paulus ist das eine scharfe Aussage! Denn was ist die Beschneidung? Sie ist ein körperliches Zeichen, das jemanden als Juden gekennzeichnet hat. Und die Beschneidung war urwichtig für die Juden! Sie ist das Zeichen des Bundes. Die Beschneidung war sichtbar: Diese Person gehört zum auserwählten Volk Gottes der Juden!

Für einen Juden wie Paulus war der Unterschied, ob jemand duch die Beschneidung Jude war wie er oder nicht, von zentraler Bedeutung!

Wie kann er dann so lapidar sagen: „Ach, auf die Beschneidung kommt es gar nicht an; ist Nebensache.“

Wenn man ein bisschen darüber nachdenkt, kommt man zu der Schlussfolgerung, dass Paulus etwas erlebt haben muss, was viel viel größer ist als die Beschneidung! Etwas sensationell Großes, wodurch die bisherigen Überzeugungen in einem ganz neuen Licht gesehen werden! Seine bisherige Weltsicht wird auf den Kopf gestellt!

Was ist in seinem Leben geschehen? Die Auferstehung Jesu von den Toten! Durch die Auferstehung ist nun für Paulus sogar die Beschneidung nicht mehr von Bedeutung!!! Anderswo schreibt er: Es gibt nicht mehr Heide oder Jude, Mann oder Frau, diese fundamentalen Unterscheidungen,
… sondern es kommt darauf an, eine neue Schöpfung zu sein.

Wer ist der auferstandene Jesus? Er ist der erste der neuen Schöpfung! Eine neue Lebensform!

Er ist der Haupt des mystischen Leibes. Und mit Christus ist der ganze mystische Leib auferstanden – und ist eine neue Schöpfung! Und Paulus ruft uns hier zu: Hört auf, in der alten sündigen Welt zu leben! Die vergeht sowieso! Sie kommt ins Gericht! Lebt als neue Schöpfung! Darauf kommt es an!

Paulus ruft gewissermaßen: Es ist mir egal, ob die Strukturen der Welt von diesem oder jenem Herrscher angeführt werden, Cäsar oder Augustus; es ist mir egal, welches politische System gerade an der Macht ist; ob die ehrbarsten Institutionen der Gesellschaft dazu gehören. Sie werden vergehen.

Und nun – sagt Paulus: Lebt in der neuen Schöpfung! Lebt in diesem mystischen Leib Christi. Das ist eigentliche der Wesenskern der Kirche!

Wie können wir diese neue Schöpfung sein?

  • Es kommt durch die Taufe.
  • Es wird genährt durch die Eucharistie.
  • Durch das Lesen in der Bibel.
  • Durch Gebet
  • Durch Nächstenliebe und Hingabe aneinander.
Und er Ausblick ist wunderbar:
Friede und Erbarmen komme über alle,
die diesem Grundsatz folgen, und über das Israel Gottes.


Was ist das Israel Gottes? Der Leib Christi, die Kirche!
Frieden und Erbarmen werden kommen – nicht über die, die nicht loslassen können von der alten Welt, die sowieso vergehen wird – sondern Frieden und Erbarmen werden kommen über alle, die in diesem Israel Gottes leben, tief verbunden mit Christus. So werden sie neue Schöpfung!!

Christus ist der Ursprung und die Quelle der neuen Schöpfung!

In diesen paar Zeilen im Galaterbrief ist das ganze Drama des christlichen Glaubens enthalten.

Leben wir als neue Schöpfung, als neue Menschen, nicht allein durch bloßen Volontarismus, sondern indem wir uns von Christus nähren! Jeden Tag! In der Eucharistie, in seinem Wort.


PS: Die meisten Ideen zu dieser Predigt habe ich aus einem Podcast von Bishop Robert Barron genommen. 

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