Eucharistisches Fasten in Corona-Zeiten - Chance oder Verlust?



Wir alle fühlen die Abwesenheit: Was können wir tun, wenn wir nicht mehr an der Heiligen Messe teilnehmen und die Eucharistie nicht mehr empfangen können? Jesus ist dennoch gegenwärtig in seiner Kirche, in den Tabernakeln, in seinen Priestern.

Krisenzeiten sind auch Chancen für ein großes geistliches Wachstum. Man kann die besonderen Umstände dazu nutzen, um im Glauben und in der Verehrung der Eucharistie zu wachsen. Einen Weg dorthin, der uns wahrscheinlich überraschend vorkommt, zeigt der damalige Kardinal Ratzinger auf. In dem Taschenbuch "Schauen auf den Durchbohrten" geht er auf die Frage nach einem "Fasten von der Eucharistie" ein.

Ich bringe hier eine teilw. gekürzte eigene Übersetzung eines englischsprachigen Artikels.

Als Ratzinger dieses Kapitel schrieb, ging er zwar von einem freiwilligen Fasten aus, das dazu beitragen sollte, das Bewusstsein für den hohen Wert der Eucharistie zu erhöhen. Aber ich glaube, dass wir uns in den Umständen, die uns momentan durch die Corona-Krise von außen auferlegt werden, auch aus freiem Willen entscheiden können, von der Eucharistie zu fasten. Wir müssen den Zustand nicht nur unfreiwillig hinnehmen, gewissermaßen wie ein Hund, den man an einer Leine hinter sich herzieht. Sondern als Menschen haben wir die Fähigkeit, schwere äußere Umstände innerlich zu bejahen. In diesem Sinne können die Gedanken von Josef Ratzinger meiner Meinung für unsere Situation sehr gewinnbringend sein.

Bleibe wir in unserem Glauben an Jesus Christus lebendig, damit wir Leuchtbojen der Hoffnung sein können in diesen dunklen Zeiten.


Ratzinger beginnt, indem er von einer Maßnahme des Kirchenvaters Augustinus erzählt, die auf den ersten Blick schockierend auf uns wirken muss: Als der hl. Augustinus fühlte, dass sein Tod nahe war, hat er sich selbst exkommuniziert und öffentlich Buße getan. Er wollte in seinen letzten Lebenstagen seine Solidarität mit den öffentlichen Sündern zeigen. Denn diese suchen Vergebung und Gnade unter anderem dadurch, dass sie auf die Kommunion verzichten.

Diese Geste des Augustinus bewegt Ratzinger zur Reflexion über folgende Fragen: Nehmen wir den Empfang des heiligsten Sakramentes nicht oft zu leicht? Könnte diese Art von geistlichem Fasten nicht dazu beitragen, oder sogar notwendig werden, unsere Beziehung zum Leib Christi zu vertiefen und zu erneuern?

In der alten Kirche war eine ausdrucksstarke Praxis dieser Art üblich. Schon seit der Zeit der Apostel gehörte das Fasten von der Eucharistie von Karfreitag an zur kirchlichen Kommunion-Spiritualität. Dieser Verzicht auf die heilige Kommunion an einem der heiligsten Tage des Kirchenjahres war eine besonders tiefer Weise, um teilzuhaben an der Passion des Herrn; es war die Klage der Braut um ihren verlorenen Bräutigam (vgl. Markus 2,20).

Ich denke, dass auch heute ein Fasten von der Eucharistie, wenn es wirklich ernsthaft vollzogen wird, höchst bedeutungsvoll sein kann in sorgfältig ausgewählten Momenten, wie z.B. an Tagen der Buße - und warum nicht auch wieder am Karfreitag? Es wäre besonders geeignet bei Heiligen Messen, bei denen so viele Leute teilnehmen, dass es unmöglich wird, die Kommunion würdig zu spenden; in solchen Fällen könnte der Verzicht auf das Sakrament in der Tat mehr Ehrfurcht und Liebe ausdrücken als ein Empfang, bei dem die immense Bedeutung dessen, was geschieht, nicht mehr gerecht wird.

Ein Fasten dieser Art - natürlich müsste das offen sein für die Leitung durch die Kirche und sollte nicht willkürlich sein - könnte zu einer Vertiefung der persönlichen Beziehung zum Herrn im Sakrament führen. Es könnte auch ein Akt der Solidarität sein mit all jenen, die sich nach dem Sakrament sehnen, es aber nicht empfangen können. Es scheint mir, dass das Problem der wiederverheirateten Geschiedenen wie auch das der Interkommunion (z.B. in einer konfessionsverschiedenen Ehe) weit weniger akut wäre vor dem Hintergrund eines freiwilligen spirituellen Fastens, das ein sichtbarer Ausdruck der Tatsache wäre, dass wir alle dieser 'Heilung durch die Liebe' bedürfen, die der Herr in der äußersten Einsamkeit am Kreuz vollzogen hat.

Natürlich rede ich hier nicht einer Rückkehr zum Jansenismus das Wort: Fasten setzt vielmehr normales Essen voraus, sowohl im geistlichen wie auch im biologischen Leben. Aber von Zeit zu Zeit brauchen wir eine Medizin, die uns davor bewahrt in reine Routine zu verfallen, die aller geistlicher Dimensionen ermangelt. Manchmal brauchen wir Hunger, physischen und geistlichen Hunger, wenn wir zu den Geschenken des Herrn erfrischt kommen und das Leiden unser hungernden Brüder verstehen wollen. Sowohl der spirituelle wie auch der physische Hunger kann ein Vehikel der Liebe sein."

Und in seiner apostolischen Schreiben "Sacramentum Caritatis" lud Benedikt XVI. im Jahr 2007 zu der folgenden schönen Reflexion ein über die Beziehung zwischen der Eucharistie, dem Leiden und dem Mitgefühl ('Compassion'). In der Nummer 88 schreibt er:


Eucharistie, gebrochenes Brot für das Leben der Welt

„Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt“ (Joh 6,51). Mit diesen Worten offenbart der Herr den wahren Sinn der Hingabe seines Lebens für alle Menschen. Sie zeigen uns auch das tiefe Mitleid, das er mit jedem einzelnen hat. Tatsächlich berichten uns die Evangelien viele Male von den Gefühlen Jesu gegenüber den Menschen, besonders gegenüber den Leidenden und den Sündern (vgl. Mt 20,34; Mk 6,34; Lk 19,41). Durch ein zutiefst menschliches Gefühl drückt er die Heilsabsicht Gottes für jeden Menschen aus, damit er das wahre Leben erreiche.

Jede Eucharistiefeier vergegenwärtigt sakramental das Geschenk, das Jesus am Kreuz aus seinem Leben gemacht hat – ein Geschenk für uns und für die ganze Welt. Zugleich macht Jesus uns in der Eucharistie zu Zeugen von Gottes Mitleid mit jedem Bruder und jeder Schwester. So entsteht im Umfeld des eucharistischen Mysteriums der Dienst der Nächstenliebe, die darin besteht, „dass ich auch den Mitmenschen, den ich zunächst gar nicht mag oder nicht einmal kenne, von Gott her liebe.

Das ist nur möglich aus der inneren Begegnung mit Gott heraus, die Willensgemeinschaft geworden ist und bis ins Gefühl hineinreicht. Dann lerne ich, diesen anderen nicht mehr nur mit meinen Augen und Gefühlen anzusehen, sondern aus der Perspektive Jesu Christi heraus.“ Auf diese Weise erkenne ich in den Menschen, denen ich näherkomme, Brüder und Schwestern, für die der Herr sein Leben hingegeben hat, weil er sie „bis zur Vollendung“ (Joh 13,1) liebt.

Folglich müssen unsere Gemeinden, wenn sie Eucharistie feiern, sich immer bewusster werden, dass das Opfer Christi für alle ist und die Eucharistie darum jeden Christgläubigen drängt, selbst „gebrochenes Brot“ für die anderen zu werden und sich also für eine gerechtere und geschwisterlichere Welt einzusetzen. Wenn wir an die Vermehrung der Brote und der Fische denken, müssen wir erkennen, dass Jesus heute immer noch seine Jünger auffordert, sich persönlich zu engagieren: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ (Mt 14,16). Die Berufung eines jeden von uns ist wirklich die, gemeinsam mit Jesus gebrochenes Brot für das Leben der Welt zu werden. - (Ende des Zitats aus Sacramentum Caritatis)

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